Spielregeln zur Vergütung von Überstunden in Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen
Überstunden stehen nicht nur bei vielen Fach-, sondern vor allem auch Führungskräften auf der Tagesordnung. Doch erhalten Arbeitnehmer für ihre Extraarbeit einen Ausgleich?
In vielen Arbeitsverträgen findet man häufig folgende oder ähnliche Regelungen:
„Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten.“
Dabei stellen sich jedoch einige Fragen: Ist eine solche Regelung überhaupt zulässig und was genau versteht man überhaupt unter dem Begriff der „Überstunde“.
Der Begriff der Überstunde
Von Überstunden spricht man, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit auf Anordnung oder mit Billigung des Arbeitsgebers überschritten wird.
Die Vergütung von Überstunden
Grundsätzlich gilt auch nach der jüngsten Entscheidung des BAG: Nicht jede Überstunde muss gesondert vergütet werden, pauschale Abgeltungen sind zulässig.
Es müssen aber Spielregeln eingehalten werden, die das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun mit Urteil vom 26.06.2019 (Az. 5 AZR 452/18) für eine Pauschalabgeltung in Betriebsvereinbarungen ergänzt hat.
Bereits im Jahr 2011 entschied das BAG mit Urteil vom 17.08.2011, Az. 5 AZR 406/10, dass die arbeitsvertragliche Regelung
„Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten.“
nicht klar und verständlich i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei, da sich für den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag nicht ergebe, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von der Bruttomonatsvergütung erfasst werden sollen.
Parallel zu dieser AGB-rechtlichen Bewertung muss nach der neusten Rechtsprechung des BAG vom 26.06.2019 eine pauschale Abgeltung von Überstunden auch in Betriebsvereinbarungen so klar ausgestaltet sein, dass der Mitarbeiter weiß, was auf ihn zukommt. Zudem darf sie Gleichbehandlungsgebote nicht verletzen.
In dem vom BAG zu entscheidenden Fall ist der Kläger bei der beklagten Gewerkschaft ver.di als Gewerkschaftssekretär mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Die Parteien haben „Vertrauensarbeitszeit“ vereinbart, das heißt der Kläger entscheidet entsprechend selbst über Beginn und Ende der Arbeitszeit. Auf das Arbeitsverhältnis finden die in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossenen „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (AAB) Anwendung. Danach erhalten Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr. Die anderen Beschäftigten haben dagegen für jede geleistete Überstunde Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und achtzehn Minuten (= 30% Überstundenzuschlag) bzw. auf eine entsprechende Überstundenvergütung.
Der Kläger hat für vier Monate, in denen er neben seinen sonstigen Aufgaben in einem Projekt arbeitete, die Vergütung von Überstunden in Höhe von 9.345,84 Euro brutto verlangt. Ver.di hat Klageabweisung beantragt und argumentierte, sämtliche Überstunden des Klägers seien mit den neun Ausgleichstagen nach den AAB abgegolten. Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen haben, hatte die Revision des Klägers Erfolg.
Das BAG entschied, die AAB seien teilunwirksam, soweit sie für bestimmte Gewerkschaftssekretäre eine Pauschalvergütung von Überstunden vorsehen.
Das BAG sieht hierfür zwei Gründe:
Erstens verstoße der Anwendungsbereich der Regelung mit der Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit“ gegen das Gebot der Normenklarheit, weil für die Beschäftigten nicht hinreichend klar ersichtlich sei, in welchem Fall eine solche anzunehmen ist und in welchem Fall nicht.
Zweitens genüge die Regelung nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine – wie auch immer geartete – „Regelmäßigkeit“ von Überstunden sei nach Ansicht des BAG kein taugliches Differenzierungskriterium dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschaliert oder „spitz“ nach den tatsächlich geleisteten Überstunden gezahlt wird.
Fazit
Regelungen in Betriebsvereinbarungen nach denen Überstunden nicht gesondert vergütet werden, sind nicht per se unwirksam. Entsprechend den arbeitsvertraglichen Regelungen müssen sie aber dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen und dürfen auch sonst nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.
Jedenfalls Arbeitsverträge sehen deshalb üblicherweise eine bestimmte oder bestimmbare Abgeltung von Überstunden vor, häufig im Umfang von 10 % – 25 % der Arbeitszeit, wobei sich das BAG jedoch zu dem zulässigen Umfang nicht geäußert hat. Diese Frage bleibt daher weiterhin spannend!