Neues zum AÜG – Abweichung vom equal pay- Grundsatz auch im Mischunternehmen
Im Rahmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung sind die Verleihunternehmen nach § 8 Abs. 1 AÜG grundsätzlich verpflichtet, ihren Leiharbeitern für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Gleichstellungsgrundsatz bzw. „equal pay / equal treatment-Grundsatz“).
Das Verleihunternehmen kann von diesem Gleichstellungsgrundsatz jedoch durch die Anwendung eines Tarifvertrages der Zeitarbeitsbranche abweichen; nach der AÜG-Reform allerdings nur noch für einen begrenzten Zeitraum (grundsätzlich bis zu 9 Monate, bei der Geltung von Branchenzuschlagstarifverträgen längstens bis zu 15 Monate). Das Verleihunternehmen muss dem Leiharbeitnehmer in diesem Fall bis zum besagten Stichtag nur die nach dem Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche geschuldeten Arbeitsbedingungen gewähren. Dabei können im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung dieses Tarifvertrages vereinbaren.
Mischbetriebe
Bei reinen Zeitarbeitsfirmen, die ausschließlich gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreiben, war zu keiner Zeit streitig, dass diese von dieser Ausnahmeregelung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Anwendung eines Tarifvertrages der Zeitarbeitsbranche Gebrauch machen können. Anders sah die jedoch bei Unternehmen aus, die im Gegensatz zu reinen Zeitarbeitsfirmen nicht ausschließlich gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreiben, sondern von diesem Instrument nur zusätzlich zu ihrem eigentlichen Betriebszweck Gebrauch gemacht haben (sog. „Mischbetriebe“). Bei diesen Mischbetrieben war es höchst umstritten, ob auch sie von dieser Ausnahmeregelung durch Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge Gebrauch machen können.
Restriktive Handhabung der Bundesagentur für Arbeit
Die Bundesagentur für Arbeit hat hierzu in ihren Geschäftsanweisungen die sehr restriktive Auffassung vertreten, dass nur diejenigen Mischbetriebe unter den Geltungsbereich der einschlägigen Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche fallen, die arbeitszeitlich überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben (sog. Überwiegensprinzip). Mischbetriebe, die nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben und ihre nicht verliehenen Arbeitnehmer nach dem jeweiligen Branchentarifvertrag beschäftigen, konnten daher nach dieser Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit für die zu verleihenden Arbeitnehmer nicht vom Gleichstellungsgrundsatz durch Anwendung des Tarifvertrages der Zeitarbeitsbranche abweichen. Diese Rechtsauffassung hat die Bundesagentur für Arbeit selbst dann noch aufrechterhalten, als das Bundesarbeitsgericht den Grundsatz der Tarifeinheit bereits mit Urteil vom 07.07.2010 (4 AZR 549/08) aufgegeben hatte. Auf diese restriktive Handhabung der Bundesagentur für Arbeit haben die betreffenden Unternehmen in der Praxis versucht zu reagieren, indem sie selbstständige Betriebsabteilungen für Arbeitnehmerüberlassung gebildet haben, was aber organisatorisch oftmals nur schwer umsetzbar war.
Entscheidung des Bundessozialgerichts
In einer aktuellen Entscheidung vom 12. Oktober 2016 (Az.: B 11 AL 6/15 R) Link: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&sid=c13c3a2fff372298ce830cb999b092ff&nr=14488&pos=1&anz=12 hat das Bundessozialgericht diese langjährige Streitfrage erfreulicherweise im Interesse der betreffenden Unternehmen nunmehr geklärt und der restriktiven Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit eine klare Absage erteilt. Nach der Entscheidung des Bundessozialgericht dürfen auch “Mischbetriebe“, die nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreiben, durch arbeitsvertraglich vereinbarte Inbezugnahme der Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche vom Gleichstellungsgrundsatz des AÜG abweichen.
Weder nach dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des AÜG sei die Geltung des Überwiegensprinzips für nicht tarifgebundene Mischunternehmen geboten. Auch den einschlägigen Tarifwerken zwischen BZA und DGB-Tarifgemeinschaft sei nicht zu entnehmen, dass nur Betriebe, die mehr als 50% Mitarbeiter verleihen, durch Anwendung der Zeitarbeitstarifverträge vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen können.
Ausblick
Die Bundesagentur für Arbeit hat auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts mittlerweile reagiert und ihre Geschäftsanweisungen angepasst. Es bleibt zu hoffen, dass die Tarifvertragsparteien nun nicht ihrerseits als Reaktion auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts die derzeit einschlägigen Regelungen zum Anwendungsbereich der Zeitarbeitstarifverträge zu Lasten von Mischunternehmen wieder einschränken.