Neues vom Bundesarbeitsgericht zur Anrechnung von Zwischenverdienst im Kündigungsschutzprozess
Eines der wesentlichen finanziellen Risiken des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ist der so genannte Annahmeverzug.
Unter Annahmeverzug wird die Vergütung verstanden, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bezahlen muss, weil er die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung nicht angenommen hat. Im Kündigungsschutzprozess tritt dieser Fall regelmäßig ein, wenn nach einer längeren Prozessdauer die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird. Dann bestand das Arbeitsverhältnis oft längere Zeit nach Ablauf der eigentlichen Kündigungsfrist fort, und der Arbeitgeber muss die gesamte Vergütung nachbezahlen, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistungen erbracht hat.
Allerdings muss sich der Arbeitnehmer auf diesen Vergütungsanspruch den so genannten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Zwischenverdienst ist insbesondere dasjenige Entgelt, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt, mit anderen Worten in einem anschließenden Arbeitsverhältnis bereits wieder verdient hat. Dieser Umstand führt dazu, dass Vergleichsverhandlungen in Kündigungsschutzprozessen neben den Erfolgsaussichten bezüglich der Wirksamkeit der Kündigung auch häufig davon bestimmt werden, ob der Arbeitnehmer bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Denn ist dies der Fall, mindert die Anrechnung von Zwischenverdienst das wirtschaftliche Risiko für den Arbeitgeber erheblich.
Eine wichtige einschränkende Klarstellung bezüglich der Anrechnung von Zwischenverdienst hat das Bundesarbeitsgericht nun in einem jüngst veröffentlichten Urteil vom 24.02.2016 (Az.: 5 AZR 425/15) getroffen. Danach ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs (nur) in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten Arbeitszeit entspricht.
Was bedeutet dies nun genau?
In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde liegenden Fall war das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber zum 31.12.2011 gekündigt worden. Man einigte sich schließlich darauf, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.12.2013 beendet worden ist. Auch in diesem Fall trat also der so genannte Annahmeverzug für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013, also für zwei Jahre, ein. In diesen beiden Jahren war die Klägerin bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen. Allerdings hatte sie ihre Arbeitszeit aufgestockt. In dem alten Arbeitsverhältnis hatte sie nur 12 Stunden pro Woche gearbeitet, in dem neuen arbeitete sie 17 Stunden pro Woche. Deshalb verdiente sie in dem neuen Arbeitsverhältnis (absolut betrachtet) auch mehr. Der Arbeitgeber war deshalb der Ansicht, durch die Anrechnung von Zwischenverdienst schulde er der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31. 12. 2013 überhaupt keine Vergütung mehr. Die Klägerin vertrat aber die Auffassung, es müsse eine Umrechnung ihres Zwischenverdienstes auf die vertragliche Arbeitszeit beim ursprünglichen Arbeitgeber erfolgen, es sei also nur 12/17 ihres Zwischenverdienstes anrechenbar. Aufgrund des wesentlich geringeren Stundenlohnes, den die Klägerin im neuen Arbeitsverhältnis erzielte, ergab sich auf dieser Basis ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von mehr als 6000 € brutto.
Sowohl das Arbeitsgericht in I. Instanz als auch das Landesarbeitsgericht in II. Instanz gaben der Klägerin Recht. Die vorinstanzlichen Entscheidungen wurden auch vom Bundesarbeitsgericht bestätigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Berechnung des Zwischenverdienstes habe sich nicht nur an der Höhe der Vergütung zu orientieren, sondern müsse auch die geschuldete Arbeitszeit berücksichtigen. Anzurechnen sei ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Es ist also der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitig erworben hat, gegenüberzustellen. Zwischenverdienst sei auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nur in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Im vorliegenden Falle waren also nur 12/17 des erzielten Zwischenverdienstes anzurechnen. Dies führte für die Klägerin der beanspruchten Nachzahlung (obwohl sie absolut betrachtet im Zeitraum des Annahmeverzuges vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 bei ihrem neuen Arbeitgeber sogar mehr verdient hatte als bei ihrem alten Arbeitgeber).
Arbeitnehmer sind also gut beraten, den Einwand des Arbeitgebers, er müsse ihnen trotz gewonnenem Kündigungsschutzprozess aufgrund der Anrechnung von Zwischenverdienst keinen Annahmeverzug nachzahlen, noch einmal kritisch zu hinterfragen. Im Einzelfall kann sich auch in Konstellationen, in welchen man dies nicht ohne Weiteres erwarten würde, noch ein Nachzahlungsanspruch ergeben.