Impfprävention im Bereich einrichtungsbezogener Tätigkeiten – Ein Überblick aus arbeitsrechtlicher Sicht
Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat die Weltbevölkerung immer noch im Griff. Um das Infektionsgeschehen weiter wirksam zu bekämpfen, hat die Bundesregierung beschlossen, besonders gefährdete vulnerable Menschen vor einer Infektion zu schützen und dadurch zu einer Entlastung des Gesundheitssystems beizutragen und die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Mit Wirkung zum 12. Dezember 2021 wurde das Infektionsschutzgesetz (IfSG) angepasst und in § 20a IfSG ab dem 16. März 2022 eine partielle „Impfpflicht“ für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gesundheitsbranche geschaffen. Im gemeinen Sprachgebrauch hört und liest man durchgehend den Begriff „Impfpflicht“. U.E. wäre es jedoch passender von einer „Nachweispflicht“ zu sprechen. In der gesetzlichen Regelung selbst findet sich der Begriff „Impfpflicht“ nicht wieder, vielmehr spricht der Wortlaut durchgehend von einem „Immunitätsnachweis“ über eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus, eine Genesung vom Coronavirus oder eine medizinische Kontraindikation.
Die gesetzliche Regelung des § 20a IfSG wirft in der Praxis zahlreiche Fragen auf. Wir geben nachfolgend einen kurzen Überblick.
Wer ist von der Pflicht zum Immunitätsnachweis betroffen?
Die Regelung betrifft nur die in § 20a IfSG abschließend aufgezählten Einrichtungen und Unternehmen. Dabei handelt es sich um Einrichtungen des Gesundheitswesens wie insbesondere Krankenhäuser, (Zahn-)Arztpraxen, Tageskliniken, sowie Einrichtungen zu Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen. Laut Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht auch für Einrichtungen und Dienste im Rahmen des §35a SGB VIII, mithin für (teil-)stationäre Einrichtungen und Dienste für Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung bzw. wenn diese von einer seelischen Behinderung bedroht sind.
Die gesetzliche Regelung stellt darauf ab, dass die Personen, die „in“ der Einrichtung oder dem Unternehmen Tätigkeiten ausüben, einen Immunitätsnachweis vorzulegen haben. Aus dem Wortlaut des § 20a IfSG lässt sich somit schließen, dass die Person nicht zwingend in einer vertraglichen Beziehung zu der Einrichtung oder dem Unternehmen stehen muss. Ein Arbeitsverhältnis oder eine andere vertragliche Beziehung ist nicht zwingend erforderlich. Es werden vielmehr auch freie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ehrenamtlich Tätige oder auch Praktikantinnen und Praktikanten von der Nachweispflicht umfasst. Zudem muss die Person nicht zwingend medizinische oder pflegerische Tätigkeiten ausüben. Erforderlich ist nicht einmal, dass die Person (unmittelbaren) Kontakt zu den besonders schutzwürdigen Personengruppen hat. Neben dem Pflege- und Betreuungspersonal sind damit etwa auch externe Dienstleister, wie z.B. Handwerker, Reinigungspersonal oder Küchenkräfte, die in der Einrichtung oder dem Unternehmen Tätigkeiten ausüben, erfasst.
An einem Tätigwerden „in“ der Einrichtung oder dem Unternehmen mangelt es dann, wenn sich die Personen lediglich über einen ganz unerheblichen Zeitraum, also wenige Minuten, in der Einrichtung oder dem Unternehmen aufhalten. So können beispielsweise Post- oder Paketboten von der Impfpflicht ausgenommen sein.
Vorlage eines Immunitätsnachweises
Bis zum Ablauf des 15. März 2022 haben alle betroffenen Personen der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation, vorzulegen.
- 20 a IfSG differenziert sodann zwischen dem Umgang mit Neueinstellungen, also mit Personen, die ab dem 16. März 2022 erstmals in der Einrichtung oder dem Unternehmen tätig werden und „Altbeschäftigten“, d.h. mit Personen, die ohne nennenswerte Unterbrechung bereits vor dem 15. März 2022 in der Einrichtung oder dem Unternehmen tätig waren und weiterhin dort tätig sind.
Zu den Neueinstellungen:
Personen, die ab dem 16. März 2022 eine Tätigkeit in einer betroffenen Einrichtung oder dem Unternehmen aufnehmen wollen, haben vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen oder eine medizinische Kontraindikation nachzuweisen. Eine Person, die keinen Nachweis vorlegt, darf in den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen nicht beschäftigt oder tätig werden (vgl. § 20a Abs. 3 S. 3, 4 IfSG). Diese Rechtsfolge sieht § 20a IfSG ausdrücklich vor.
Zu den Altbeschäftigten:
Personen, die in den betroffenen Einrichtungen bzw. Unternehmen bereits tätig sind, haben bis zum Ablauf des 15. März 2022 einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen oder eine medizinische Kontraindikation nachzuweisen (vgl. § 20a Abs. 2 IfSG). Wird der Nachweis nicht rechtzeitig vorgelegt, hat die Einrichtungsleitung bzw. die Unternehmensleitung die Pflicht, unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt darüber zu benachrichtigen und die entsprechenden personenbezogenen Daten zu übermitteln.
Gleiches gilt nach § 20a Abs. 4 IfSG für den Fall, dass der Impf- oder Genesenennachweis nach dem 15. März 2022 seine Gültigkeit verliert und im weiteren Verlauf kein neuer – gültiger – Nachweis vorgelegt wird. Der Nachweis ist dann innerhalb einer angemessenen Frist auf Anforderung gegenüber dem Gesundheitsamt zu erbringen. Sollte der Mitarbeiter, dem nicht Folge leisten, kann das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot anordnen (vgl. § 20a Abs. 5 S. 3 IfSG).
Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Nichterbringung eines Immunitätsnachweises durch die „Altbeschäftigten“
Wie sich die Einrichtung bzw. das Unternehmen gegenüber dem Mitarbeiter zu verhalten hat, wenn ein Immunitätsnachweis durch den jeweiligen Mitarbeiter nicht erbracht wird, ist im Gesetz nicht geregelt.
Ob der Mitarbeiter in der Zwischenzeit – bis ein behördlichen Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt ausgesprochen wird – in der Einrichtung oder dem Unternehmen seiner Tätigkeit nachgehen darf, ist im Gesetz ebenfalls nicht geregelt. § 20a IfSG sieht – anders als für Neueinstellungen – kein Beschäftigungsverbot für „Altbeschäftigte“ vor.
Es spricht u.E. daher einiges dafür, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter unter den Voraussetzungen des § 28b IfSG (Vorlage eines negativen Testergebnisses vor Arbeitsaufnahme) so lange weiter beschäftigen darf, bis das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot ausspricht.
Erst, wenn sich der Arbeitnehmer „dauerhaft“ weigert, den nötigen Nachweis nach § 20a IfSG zu erbringen, könnten – nachdem ein behördliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde – weitere arbeitsrechtliche Schritte, wie z.B. eine Kündigung aus personenbedingten Gründen erwogen werden.
Eine Kündigung aus personenbedingten Gründen setzt jedoch einerseits voraus, dass der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung zur Ausübung seiner Tätigkeit nicht (mehr) besitzt und andererseits eine negative Prognose vorliegt. Letzteres bedeutet, dass der Arbeitnehmer voraussichtlich auch in der Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Da es sich bei § 20a IfSG um eine bis zum 31.12.2022 befristete Regelung handelt, sollten Arbeitgeber zurückhaltend mit Kündigungen umgehen und jeden Einzelfall – insbesondere das Vorliegen einer Negativprognose – sorgfältig prüfen.
Melanie Maier, Fachanwältin für Arbeitsrecht