Gemeinschaftsbetrieb als Alternative zur Arbeitnehmerüberlassung
Die arbeitsrechtlichen Risiken der Arbeitnehmerüberlassung sind weithin bekannt. Ein interessantes und in der Rechtsberatung oft bedenkenswertes Instrument zur Vermeidung dieser Risiken ist die Begründung eines sogenannten Gemeinschaftsbetriebs. Dieses Instrument hat durch ein aktuelles Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.06.2017 nochmals Bestätigung erfahren.
Ausgangssituation:
Insbesondere bei einer dauerhaften Leistungserbringung von Servicegesellschaften für bestimmte Unternehmen stellt sich häufig die Frage, ob diese Rechtsbeziehungen als „echte“ Werkverträge b Dienstverträge einzuordnen sind oder in Wahrheit Arbeitnehmerüberlassung darstellen bzw. sich im Laufe der Zeit zu einer solchen entwickelt haben. Vor allem dann, wenn die Servicegesellschaft mit den Arbeitnehmern des Auftraggebers eng kooperieren muss, besteht ein erhebliches Risiko, dass die Rechtsbeziehungen tatsächlich als „Scheinwerkverträge“ bzw. „Scheindienstverträge“ und damit als Arbeitnehmerüberlassung einzuordnen sind.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerüberlassung haben sich zum 01.04.2017 nochmals verschärft. Die Höchstüberlassungsdauer ist prinzipiell auf 18 Monate festgeschrieben. Nach neunmonatiger Überlassung gilt grundsätzlich „Equal Pay“, die Leiharbeitnehmer haben also Anspruch auf die gleiche Vergütung wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer der Stammbelegschaft. Eine bislang gängige Lösung zur Vermeidung der Problematik von „Scheinwerkverträgen“ bzw. „Scheindienstverträgen“ ist weggefallen, nämlich die sogenannte Vorratserlaubnis. Diese schließt die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags mit dem Verleiher und die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nicht mehr aus, weil nunmehr Arbeitnehmerüberlassung auch ausdrücklich als solche bezeichnet werden muss. Andernfalls entfaltet die Überlassungserlaubnis keine Rechtswirkungen. Mit anderen Worten: Kann Arbeitnehmerüberlassung nicht von vorneherein rechtssicher ausgeschlossen werden, sind Rechtsverstöße und einschneidende (arbeits-) rechtliche Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen quasi vorprogrammiert.
Welche Gestaltungsmöglichkeiten bleiben, um diesen Risiken zu entkommen? Eine Option, welche immer in Betracht gezogen werden sollte, ist die Begründung eines Gemeinschaftsbetriebes.
Verhältnis Arbeitnehmerüberlassung/Gemeinschaftsbetrieb:
Die grundlegende Überlegung hinter diesem Modell ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb, wie es vom Bundesarbeitsgericht entwickelt wurde. Nach dieser Rechtsprechung besteht zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb ein Exklusivitätsverhältnis. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz findet auf die im Gemeinschaftsbetrieb eingesetzten Arbeitnehmer der beteiligten Unternehmen keine Anwendung. Damit scheiden definitionsgemäß auch Risiken aus etwaigen Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bei solchen Beschäftigungen aus.
Dieses Exklusivitätsverhältnis zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb leitet sich aus der Erwägung des Bundesarbeitsgerichts her, wonach Arbeitnehmerüberlassung voraussetzt, dass sich der drittbezogene Personaleinsatz auf Seiten des Vertragsarbeitgebers (des Verleihers) darauf beschränkt, einem Dritten den Arbeitnehmer zur Förderung von dessen Betriebszwecken zur Verfügung zu stellen. Keine Arbeitnehmerüberlassung kann daher nach Auffassung des BAG vorliegen, wenn die beteiligten Arbeitgeber im Rahmen einer unternehmerischen Zusammenarbeit mit dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer jeweils ihre eigenen Betriebszwecke verfolgen. Letzteres ist für den Gemeinschaftsbetrieb aber gerade kennzeichnend. Der Entleiher hat als Teil eines Gemeinschaftsbetriebes keine eigenständige Betriebsorganisation, in die er den Arbeitnehmer eingliedern könnte, wie es für eine Arbeitnehmerüberlassung erforderlich wäre.
Dieses Exklusivitätsverhältnis hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern nunmehr mit einem aktuellen Urteil vom 13.06.2017 (Az.: 5 Sa 209/16) nochmals bestätigt. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat in dieser Entscheidung ausgeführt, die Arbeitnehmerüberlassung sei von einer Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem gemeinsamen Betrieb zu unterscheiden. Um Arbeitnehmerüberlassung handele es sich nicht, wenn die Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich ihr Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben.
Gewillkürte Herbeiführung eines Gemeinschaftsbetriebes:
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern führt in der Entscheidung auch nochmals aus, wann von einem gemeinsamen Betrieb gesprochen werden kann. Diese Definition des gemeinsamen Betriebes, die ebenfalls an die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anknüpft, ist in der Beratungspraxis der Ausgangspunkt für die etwaige Schaffung eines gemeinsamen Betriebes. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern legt dar, dass Kennzeichen eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen sei, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel dieser Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssten sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben.
Die Herausforderung ist es also, anhand dieser Definition einen Gemeinschaftsbetrieb rechtssicher zu begründen. Für die gewollte Herbeiführung eines Gemeinschaftsbetriebes wird grundsätzlich kein schriftlicher Vertrag benötigt. Entscheidend sind die tatsächlichen Umstände. Erfüllen diese die Merkmale eines Gemeinschaftsbetriebes, ist ein solcher auch begründet. Dennoch sollte in aller Regel insbesondere zu Dokumentations- und Beweiszwecken eine schriftliche „Führungsvereinbarung“ zwischen den beteiligten Unternehmen geschlossen werden. In dieser Führungsvereinbarung wird dann die wechselseitige Kooperation der beteiligten Unternehmen, deren gegenseitige Rechte und Pflichten sowie die Verteilung von Nutzen und Risiken festgelegt.
Mit einer solchen rechtssicheren Begründung eines Gemeinschaftsbetriebes sind arbeitnehmerüberlassungsrechtliche Risiken aus einem sodann praktizierten unternehmensübergreifenden Personaleinsatz ausgeschlossen.
Fazit:
Die mit dem komplizierten und oft nicht trennscharf zu vollziehenden Arbeitnehmerüberlassungsrecht einhergehenden Risiken können durch die Begründung eines Gemeinschaftsbetriebes ausgeschlossen werden. Allerdings ist auch der Gemeinschaftsbetrieb kein „Allheilmittel“. Die Begründung eines Gemeinschaftsbetriebes hat rechtliche Folgewirkungen auch für andere arbeitsrechtliche Fragen, beispielsweise den Kündigungsschutz und das Betriebsverfassungsrecht. Auch diese Folgewirkungen sind in die strategische Entscheidung, ob ein Gemeinschaftsbetrieb zwischen verschiedenen Rechtsträgern begründet werden sollte, einzubeziehen. Nur eine genaue Analyse sämtlicher mit dem Gemeinschaftsbetrieb einhergehender Vorteile und Nachteile gewährleistet eine im Einzelfall optimale Lösungsfindung.