Der gesetzliche Mindestlohn – was kommt auf die Unternehmen zu?
Erstmals gilt in Deutschland ab dem 01.01.2015 mit dem Mindestlohngesetz ein gesetzlicher Mindestlohn. Damit soll eine angemessene Lohnuntergrenze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt werden. Nach Aussagen der Bundesregierung sollen davon rund 3,7 Millionen Menschen profitieren. Die Einhaltung des Mindestlohns wird vom Zoll kontrolliert. Dafür sollen künftig zusätzlich 1600 neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sorgen.
Der Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes erstreckt sich grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer. Freie Dienst- und Werkverträge sind vom Anwendungsbereich hingegen ausgenommen. Bei diesen Vertragsgestaltungen soll durch eine an das Arbeitnehmerentsendegesetz angelehnte Generalunternehmerhaftung des Auftraggebers sichergestellt werden, dass die bei dem Werkunternehmer oder Dienstleister angestellten Arbeitnehmer den Mindestlohn erhalten. Der Auftraggeber haftet neben dem Werkunternehmer bzw. Dienstleister für die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Mindestlohn wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.
Grundsätzlich fallen auch Praktikanten unter das Mindestlohngesetz. Die Bundesregierung möchte damit die „Generation Praktikum“ beenden. Bei Praktika, die nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages geleistet werden und nur für eine begrenzte Dauer bestehen, sind allerdings zahlreiche Ausnahmen vorgesehen. Der Mindestlohn muss nicht gezahlt werden, wenn
- das Praktikum aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, Ausbildungsordnung oder einer hochschulrechtlichen Bestimmung verpflichtend ist,
- bis maximal drei Monate zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums dient oder
- als höchstens dreimonatiges freiwilliges Praktikum (mehrere Praktika sind zusammenzurechnen) begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung mit inhaltlichem Bezug zur jeweiligen Ausbildung abgeleistet wird.
Wichtig ist, dass der gesetzliche Mindestlohn auch für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gilt. Auch für die so genannten 450-Euro-Jobs muss mithin ab dem 01.01.2015 der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden. Das Mindestlohngesetz führt außerdem für diese Beschäftigungsverhältnisse umfangreiche Dokumentationspflichten über „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit“ ein. Für diese Aufzeichnungen gilt eine Aufbewahrungspflicht von mindestens zwei Jahren.
Eine weitere bedeutsame Ausnahme vom Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes stellen die Auszubildenden, ehrenamtlich Tätigen und die Jugendlichen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung dar. Letztere Ausnahme soll dazu dienen, schwache Schulabgänger nicht durch einen ungelernten Job davon abzuhalten, eine Ausbildung zu machen. Ferienjobs für Schüler fallen damit in der Regel nicht unter das Mindestlohngesetz. Schließlich ist das Mindestlohngesetz nicht anwendbar auf Arbeitsverhältnisse, die noch keine 6 Monate bestehen, wenn der Arbeitnehmer zuvor ein Jahr oder länger arbeitslos war. Eine weitere branchenspezifische Ausnahme gilt für Zeitungszusteller.
Der Mindestlohn beträgt 8,50 € brutto „je Zeitstunde“. Gemeint ist der Bruttostundenlohn einschließlich aller gesetzlichen Abzüge. Ist kein Stundenlohn vereinbart, sondern eine andere Zeiteinheit (etwa ein Monatslohn), ist umzurechnen. Die vereinbarte Bruttomonatsvergütung wird durch die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers in Stunden geteilt und ergibt dann den maßgeblichen Bruttostundensatz. Bis zum 30.06.2016 hat eine Mindestlohnkommission erstmals über eine Anhebung des Mindestlohns zum 01.01.2017 zu beschließen. Danach wird der Mindestlohn alle zwei Jahre überprüft.
Erhebliches Streitpotenzial liegt in der Frage, welche Leistungen bei der Berechnung des Mindestlohnes zu berücksichtigen sind. Diesbezüglich ist vieles ungeklärt. Entscheidend für eine Berücksichtigung arbeitgeberseitiger Leistungen bei der Erfüllung des Mindestlohnanspruchs ist, dass diese zum monatlichen Fälligkeitszeitpunkt tatsächlich und unwiderruflich an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden. Die verbreiteten Flexibilisierungsvorbehalte (neben Widerrufsvorbehalten insbesondere Freiwilligkeitsvorbehalte und Rückzahlungsklauseln) dürften eine mindestlohnwirksame Einordnung also ausschließen. Auch Gratifikationen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind bei der Berechnung des Mindestlohns nicht zu berücksichtigen. Im Gesetzgebungsverfahren war eine anteilige Berücksichtigung dieser Sonderleistungen angedacht. In die verabschiedete Gesetzesfassung hat dies jedoch keinen Eingang gefunden. Entgeltgestaltungen mit Sonderleistungen dürften daher im Niedriglohnbereich zukünftig nicht mehr sinnvoll sein.
Auch Provisionen und vergleichbare leistungsbezogene Entgelte sind bei der Berechnung des Mindestlohns zu berücksichtigen. Problematisch ist allerdings, dass diese Zahlungen erheblich schwanken können. Grundsätzlich sieht das Mindestlohngesetz einen Zeitraum von längstens zwei Monaten vor, in welchem durchschnittlich der gesetzliche Mindestlohn erreicht werden muss. In der Literatur wird jedoch vertreten, dass bei Provisionen und vergleichbaren leistungsbezogenen Entgelten dieser Zeitraum auf bis zu vier Monate ausgedehnt werden kann.
Ein vereinbarter Leistungslohn muss gleichfalls der Höhe des Mindestlohns entsprechen. Der jeweilige Geldfaktor muss so bemessen sein, dass für eine „Normalleistung“ die Höhe des Mindestlohns pro Zeitstunde erreicht werden kann. Ein Zeitungszusteller muss also beispielsweise während seiner in den frühen Morgenstunden zu verrichtenden regelmäßigen Arbeitszeit so viele Zeitungen zustellen können, dass bei einer Bezahlung pro verteiltem Stück im Ergebnis der gesetzliche Mindestlohn erreicht wird.
Strittig ist auch, ob Zulagen und Zuschläge mindestlohnwirksam gezahlt werden. Dies betrifft beispielsweise Überstundenvergütungen, Zuschläge für Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit und Gefahren- oder Schmutzzulagen. Nach bislang wohl herrschender Meinung sind diese Zahlungen bei der Berechnung des Mindestlohns nicht zu berücksichtigen. Insoweit ist aber die Klärung durch die Arbeitsgerichtsbarkeit abzuwarten.
Nicht zu berücksichtigen sind in jedem Falle Spesen und Reisekosten, da diese keinen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aufweisen. Auch Trinkgelder sind nicht zu berücksichtigen, soweit sie (wie in der Regel) direkt vom Gast gezahlt und nicht zunächst vom Arbeitgeber vereinnahmt und dann an die Mitarbeiter als Zulage weitergereicht werden.
Ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz zieht erhebliche Konsequenzen nach sich. Zunächst kann ein solcher Verstoß als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € geahndet werden. Bestimmte Verstöße können außerdem zeitweise zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen. Stets hat der Arbeitnehmer das Recht, die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn gegen den Arbeitgeber arbeitsgerichtlich einzuklagen.
Der gesetzliche Mindestlohn ist unabdingbar. Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind unwirksam. Der Arbeitnehmer kann auf den Mindestlohnanspruch nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten, im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Selbst die Verwirkung des Anspruchs wurde durch das Mindestlohngesetz ausgeschlossen. Eingeschränkte Ausnahmeregelungen gelten nur für bis zum 31.12.2017 für allgemeinverbindlich erklärte oder nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zwingende Tarifverträge.