Bonuszahlungen im Ermessen des Arbeitgebers – zulässig, aber überprüfbar
Bonuszusagen sind in der Praxis immer wieder Anlass für langwierige Streitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien, insbesondere dann wenn der betreffende Mitarbeiter unterjährig aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und für das letzte Jahr noch einen (anteiligen) Bonus verlangt.
Die Arbeitgeber beriefen sich in den folgenden Rechtsstreitigkeiten bislang vornehmlich darauf, dass ein Anspruch des Mitarbeiters nicht bestehe, da in seinem Arbeitsvertrag bzw. den Bonusregelungen klar geregelt sei, dass (a) der Bonus freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt werde (sog. Freiwilligkeitsvorbehalte) und/oder (b) nur die Mitarbeiter einen Bonus erhalten, die zum vorgegebenen Stichtag noch in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stünden (sog. Stichtagsklauseln). Nachdem das Bundesarbeitsgericht mittlerweile mehrfach entschieden hat, dass derartige Klauseln den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind, wenn es sich bei der Sonderzahlung zumindest auch um Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung handelt (siehe unseren Beitrag zum Anspruch auf Sonderzahlungen trotz Stichtagsklauseln), konzentriert sich der Streit in den Verfahren nunmehr darauf, ob dem Arbeitnehmer überhaupt ein Anspruch zugesagt wurde und wenn ja in welcher Höhe.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 3.8.2016 (Az: 10 AZR 710/14) erneut mit zahlreichen rechtlichen sowie auch prozessualen Fragen in Bezug auf eine Bonuszusage befasst, bei der die Höhe eines möglichen Bonus im Arbeitsvertrag nicht näher geregelt war. Der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters enthielt dabei folgende Klauseln:
- Der Arbeitnehmer nimmt nach Wahl der Gesellschaft am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Gesellschaft für außertarifliche Angestellte über einen kalenderjährlichen Bonus bzw. Deferral Award teil.
- Ein Bonus kann nur dann zur Auszahlung gelangen bzw. ein Deferral Award zugeteilt werden, wenn und soweit die Gesellschaft insgesamt Mittel zur Ausschüttung von Bonuszahlungen/bzw. Zuteilung von Deferral Awards an die Arbeitnehmer der Gesellschaft für das bonusrelevante Kalenderjahr zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die Auszahlung bzw. Zuteilung erfüllt.
- Die Zahlung des Bonus bzw. Zuteilung eines Deferral Awards erfolgt freiwillig und kann auch nach wiederholter Gewährung nicht zu einer Verpflichtung der Gesellschaft zur Fortsetzung derartiger Zahlungen bzw. Zuteilungen führen.
- Der Bonus für ein Kalenderjahr soll im Frühjahr des darauf folgenden Kalenderjahres zur Auszahlung gelangen, ist jedoch spätestens bis Ende Juni des folgenden Kalenderjahres zur Zahlung fällig. Die Zuteilung und Auszahlung des Deferral Awards erfolgt gemäß den Regelungen des Deferral Plans in seiner jeweils gültigen Fassung.
- Ein Bonus wird nur dann gezahlt bzw. ein Deferral Award erteilt, wenn sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Fälligkeit in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft befindet. Gleiches gilt für die Auszahlung des Deferral Awards.
Nachdem das BAG in seiner Entscheidung erneut klargestellt hat, dass weder der Freiwilligkeitsvorbehalt in Ziffer 3. noch die Stichtagsklausel in Ziffer 4. einem Anspruch des Arbeitnehmers entgegenstehen, hat es sich sodann mit der Frage auseinandergesetzt, ob und wenn ja in welcher Höhe dem Arbeitnehmer ein Bonusanspruch zusteht.
Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu zunächst festgestellt, dass die Formulierung in Ziffer 1. klar dafür spreche, dass der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Teilnahme am Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Gesellschaft und auf die sich hieraus ergebende Leistung habe. Jedoch könne der Arbeitgeber nach der Regelung in Ziffer 1. bestimmen, ob für das jeweilige Geschäftsjahr ein Bonus oder ein Deferral Award oder eine Kombination aus beiden Leistungsarten gewährt werde; auch könne der Arbeitgeber die Höhe der Leistung bestimmen, da diese im Arbeitsvertrag nicht festgelegt sei. Die Höhe und Art einer Bonuszahlung müssen nach den klaren Aussagen des Bundesarbeitsgerichts nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden, sondern können auch dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers überlassen werden. Es handelt sich dann um einen sogenannten Ermessensbonus.
Allerdings darf der Arbeitgeber auch in diesem Fall nicht frei über die Bonusgewährung entscheiden. Vielmehr muss seine Leistungsbestimmung stets nach billigem Ermessen im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 1 BGB erfolgen. Eine hiervon abweichende Regelung würde den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB unangemessen benachteiligen und wäre deshalb unwirksam.
Eine Leistungsbestimmung entspricht dann billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Dem Arbeitgeber verbleibt dabei ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Arbeitgeber mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Insoweit ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitgeber im Rahmen eines möglichen gerichtlichen Verfahrens die Umstände darzulegen und zu beweisen hat, die seine Leistungsbestimmung und deren Billigkeit tragen. Hierzu gehört unter anderem auch der Vortrag, welche Arbeitnehmer nach welchen Kriterien an einem Bonussystem teilnehmen sollten.
Kann der Arbeitgeber im Prozess keinen oder keinen hinreichenden Vortrag dazu liefern, warum seine Leistungsfestsetzung billigem Ermessen entsprechen soll, ist die gesetzliche Folge, dass die vom Arbeitgeber getroffene Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB unverbindlich ist. Dies hat wiederum zur Folge, dass das Gericht selbst gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Leistungsbestimmung vorzunehmen hat und damit direkt über die Höhe des Bonusanspruchs entscheidet. Das Gericht hat seine Ersatzleistungsbestimmung dabei auf Grundlage des vorhandenen Prozessstoffs und des gesamten Vortrags beider Parteien zu treffen. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht insoweit dann nicht mehr, vielmehr ist jede Partei gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen kann.
Nach den Hinweisen des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung können dabei die in den Vorjahren gezahlten Boni einen wichtigen Faktor bei der Leistungsbestimmung darstellen, da durch sie regelmäßig zum Ausdruck gebracht wird, welche Höhe eine solche Leistung unter welchen konkreten Umständen (Leistung des Arbeitnehmers, Unternehmenserfolg etc.) erreichen kann. Weitere Faktoren in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall waren die Leistungen des Arbeitnehmers im betreffenden Zeitraum, die Umsatzzahlen seiner Abteilung, die Höhe der Leistungen an andere Arbeitnehmer, die wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens und der Umfang des Bonustopfes.
Empfehlung
Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern einen Ermessenbonus zusagen, indem sie sich eine Entscheidung über die Höhe des jährlichen Bonus im Vertrag vorbehalten, sind gut beraten, die jährliche Bonusfestsetzungen nicht willkürlich vorzunehmen, sondern hierbei gewisse Entscheidungskriterien aufzustellen, die einer Ermessensüberprüfung durch die Gerichte standhalten. Andernfalls laufen sie Gefahr, dass die Gerichte selbst über die Bonushöhe entscheiden, was unvorhersehbare Folgen haben kann.