Betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsvertrages – was tun?
Unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes muss für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages ein Kündigungsgrund gegeben sein. Dies kann ein verhaltensbedingter, ein personenbedingter oder ein betriebsbedingter Kündigungsgrund sein.
Große Bedeutung in der Praxis hat der betriebsbedingte Kündigungsgrund. Dieser ist beispielsweise immer einschlägig, wenn bei größeren Umstrukturierungen innerhalb eines Unternehmens oder Konzerns Massenentlassungen vorgenommen werden.
Allein die Behauptung des Arbeitgebers, für eine Kündigung des Arbeitsvertrages lägen betriebsbedingte Gründe vor, reicht allerdings für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht aus. Vielmehr hat die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung detaillierte Anforderungen herausgearbeitet, welchen eine betriebsbedingte Kündigung genügen muss. Erfüllt die vom Arbeitgeber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsvertrages diese Voraussetzungen nicht, ist sie unwirksam.
Die Kenntnis der von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung ist mithin notwendig, um einschätzen zu können, welche Möglichkeiten sich bieten, um gegen eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorgehen zu können. In den meisten Fällen wird eine Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung hinauslaufen. Hierfür ist es oft ausreichend, dem Arbeitgeber an bestimmten Stellen des arbeitsgerichtlichen Prüfungsschemas einer betriebsbedingten Kündigung Rechtsrisiken aufzuzeigen. Auch hierfür bietet die nachfolgende Darstellung einen Einstieg.
Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses
Grundvoraussetzung für jede betriebsbedingte Kündigung ist der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Dieser kann aufgrund außerbetrieblicher oder innerbetriebliche Ursachen wegfallen (BAG, Urteil vom 10.07.2008, Az. 2 AZR 418/06).
Außerbetriebliche Ursachen können beispielsweise Auftragsmangel, Umsatzrückgang oder Liefersperren sein. Beruft sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche Ursachen, muss er jedoch nicht nur diese selbst darlegen und gegebenenfalls beweisen, sondern auch, dass sie konkret zum Wegfall einer bestimmten Zahl von Arbeitsplätzen geführt haben. Dieser Nachweis ist oft äußerst schwierig zu führen. Arbeitgeber berufen sich deshalb selten auf außerbetriebliche Ursachen für einen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs.
Häufiger führen Arbeitgeber eine innerbetriebliche Ursache für den Wegfall des Arbeitsplatzes, also eine Unternehmerentscheidung, ins Feld. Eine Unternehmerentscheidung ist ein Konzept zur Anpassung des Personalbedarfs an den Arbeitsbedarf. Typische Unternehmerentscheidungen sind beispielsweise die Einführung neuer Arbeits- bzw. Produktionsmethoden; die Entscheidung, einzelne Produktionsbereiche oder bislang intern durchgeführte Arbeiten fremdzuvergeben; oder einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung stillzulegen. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine solche Unternehmerentscheidung, kann sie durch die Arbeitsgerichte nur sehr eingeschränkt überprüft werden, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 16.12.2004, Az.: 2 AZR 66/04). Dies ist in der Praxis äußerst selten der Fall. Ob die Unternehmerentscheidung auch zweckmäßig ist, prüft das Arbeitsgericht nicht. Allerdings muss der Arbeitgeber die Unternehmerentscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und ihrer Dauerhaftigkeit verdeutlichen, damit das Gericht wenigstens eine eingeschränkte Prüfung durchführen kann.
Im Falle einer Fremdvergabe von bislang intern durchgeführten Tätigkeiten ist stets genau zu prüfen, ob nicht ein Betriebsübergang vorliegt. Ist dies der Fall, kann das Arbeitsverhältnis nicht wirksam betriebsbedingt gekündigt werden. Vielmehr geht das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zu unveränderten Arbeitsbedingungen auf den Betriebserwerber über (BAG, Urteil vom 22.01.1998, Az.: 8 AZR 243/95).
Eine betriebsbedingte Kündigung ist auch dann unwirksam, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Sofern also im Unternehmen ein freier gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden ist, muss der Arbeitgeber grundsätzlich vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung den Arbeitnehmer auf diesen Arbeitsplatz versetzen. Sind nur geringerwertige Arbeitsplätze frei, darf der Arbeitgeber dennoch keine betriebsbedingte Beendigungskündigung aussprechen. Vielmehr ist er dann darauf verwiesen, dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung den geringerwertigen Arbeitsplatz zuzuweisen. Dieser so genannte Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung folgt aus dem das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BAG, Urteil vom 26.03.2015, Az.: 2 AZR 417/14). Der Arbeitgeber muss also stets das mildeste mögliche Mittel wählen.
Werden im Unternehmen Leiharbeitnehmer dauerhaft und nicht nur vorübergehend eingesetzt, sind diese Arbeitnehmerüberlassungen gegebenenfalls vorrangig zu beenden, bevor eigene Arbeitnehmer gekündigt werden.
Grenze der Weiterbeschäftigungspflicht ist grundsätzlich das Unternehmen. Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht in anderen Unternehmen eines Konzerns besteht (von Ausnahmefällen abgesehen) nicht (BAG, Urteil vom 18.10.2012, Az.: 6 AZR 41/11).
Wenn also nach den vorstehenden Grundsätzen ein freier gleichwertiger oder auch geringerwertiger Arbeitsplatz im Unternehmen aufgezeigt werden kann, auf welchem eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers möglich gewesen wäre, eröffnet dies gute Aussichten, gegen eine betriebsbedingte Kündigung vorzugehen.
Sozialauswahl
Nach dem Kündigungsschutzgesetz muss der Arbeitgeber auch dann, wenn grundsätzlich Arbeitsplätze wegfallen und keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht, noch eine sogenannte Sozialauswahl vornehmen. Im Rahmen dieser Sozialauswahl ist zu bestimmen, welche Mitarbeiter letztlich wegen des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten zu kündigen sind. Hierfür kommt es nicht darauf an, wessen Arbeitsplatz konkret weggefallen ist. Es kommt vielmehr darauf an, welcher aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Sozialauswahl sozial am wenigsten schutzwürdig ist.
Die sich damit zunächst stellende Frage ist diejenige der Vergleichbarkeit. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen (also nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen und ihren vertraglich geschuldeten Aufgaben) austauschbar sind (BAG, Urteil vom 25.10.2012, Az.: 2 AZR 552/11). Dies ist nicht nur bei identischen Arbeitsplätzen der Fall, sondern auch dann, wenn ein Arbeitnehmer nach seiner Tätigkeit und Ausbildung auch die andere Tätigkeit eines Kollegen ausüben kann. Die Sozialauswahl vollzieht sich jedoch stets nur auf der gleichen Ebene der Betriebshierarchie. Vorgesetzte und unterstellte Mitarbeiter sind also nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen. Voraussetzung ist auch stets, dass einem Mitarbeiter nach seinem Arbeitsvertrag überhaupt eine andere Tätigkeit übertragen werden kann. In der Praxis ist dies jedoch in der Regel der Fall.
Die Sozialauswahl ist nur betriebsbezogen (BAG, Urteil vom 02.06.2005, Az.: 2 AZR 158/04). Es sind also nicht alle vergleichbaren Mitarbeiter eines Unternehmens in die Sozialauswahl einzubeziehen, sondern nur diejenigen des Beschäftigungsbetriebes. Dagegen ist die Sozialauswahl nicht auf bestimmte Betriebsabteilungen beschränkt.
Innerhalb des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer ist zu prüfen, welche aufgrund ihrer Sozialdaten (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und etwaige Schwerbehinderung) die sozial am wenigsten schutzwürdigen sind. Die Gewichtung der Sozialdaten zueinander ist nicht festgelegt. Der Arbeitgeber hat einen gewissen Wertungsspielraum (BAG, Urteil vom 29.01.2015, Az.: 2 AZR 164/14). Gerade bei größeren Umstrukturierungen mit einem umfangreichen Personalabbau wenden Arbeitgeber hier in der Regel Punkteschemata an. Zu beachten ist, dass sich nicht jeder Arbeitnehmer auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen kann, sondern nur derjenige, dem bei fehlerfreier Sozialauswahl nicht gekündigt worden wäre. Es reicht also nicht aus, nur darzulegen, dass ein sozial weniger schutzwürdiger vergleichbarer Arbeitnehmer als man selbst im Unternehmen verblieben ist. Es muss weiterhin dargelegt werden, dass man bei fehlerfreier Sozialauswahl nicht zu den zu kündigenden Arbeitnehmern gezählt hätte.
Ist jedoch feststellbar, dass der Arbeitgeber fehlerhaft einem sozial schutzwürdigeren Mitarbeiter gekündigt hat, stellt die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl zumeist eine aussichtsreiche Möglichkeit dar, Rechtsrisiken für den Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess aufzuzeigen.
Darlegungs- und Beweislast
Von erheblicher Bedeutung für die Rechtsaussichten bei einem Vorgehen gegen eine betriebsbedingte Kündigung ist die so genannte Darlegungs- und Beweislast, also die Frage, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber bestimmte Tatsachen im Prozess vortragen und im Bestreitensfalle beweisen muss. Diese ist für den Arbeitnehmer durchaus günstig ausgestaltet.
Die Darlegungs- und Beweislast für den Wegfall des Arbeitsplatzes aus außer- oder innerbetrieblichen Gründen trägt vollumfänglich der Arbeitgeber. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen muss zwar zunächst allgemein der Arbeitnehmer darlegen. Dann jedoch ist es wiederum Sache des Arbeitgebers, im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, dass es einen solchen freien Arbeitsplatz im Unternehmen nicht gibt. Auch bezüglich der Sozialauswahl trägt zwar grundsätzlich der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Bereits auf eine allgemeine Rüge des Arbeitnehmers muss jedoch der Arbeitgeber konkret vortragen, welche Arbeitnehmer er in die Sozialauswahl einbezogen und nach welchen Kriterien er die Sozialauswahl vorgenommen hat.
Besonderheiten bestehen, wenn bei einer größeren Umstrukturierung mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen wurde. Ist der betroffene Arbeitnehmer auf der Namensliste aufgeführt, wird vermutet, dass seine Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die soziale Auswahl kann dann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Hier sind die Erfolgschancen also etwas geringer. Gleichwohl lohnt sich eine genaue Prüfung, da sich im Einzelfall dennoch Ansatzpunkte bieten können.
Betriebsratsanhörung
In Betrieben mit Betriebsrat muss vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung der Betriebsrat angehört werden. Eine gänzlich fehlende oder unzureichend durchgeführte Betriebsratsanhörung führt zur Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung.
Dem Betriebsrat sind vor einer betriebsbedingten Kündigung der Arbeitsplatzwegfall und die innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründe dafür mitzuteilen. Auch die Kriterien für die Sozialauswahl und die Arbeitnehmer, welche vom Arbeitgeber in die Sozialauswahl einbezogen wurden, sind dem Betriebsrat mitzuteilen. Oftmals ergeben sich bei der Prüfung einer Betriebsratsanhörung selbst dann noch Chancen für ein Vorgehen gegen eine betriebsbedingte Kündigung, wenn an sich sämtliche sonstigen Voraussetzungen (Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses und ordnungsgemäße Sozialauswahl) vorliegen.
Fazit
Die Anforderungen, welche die Rechtsprechung für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsvertrages aufstellt, sind durchaus hoch. Für Arbeitgeber besteht im Prozess zumeist ein signifikantes Rechtsrisiko. Dieses gilt es aufzuzeigen. Gelingt dies, stehen die Chancen gut, zumindest noch eine angemessene Abfindung für den Arbeitnehmer zu erzielen. Da für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine kurze Frist von nur drei Wochen gilt und nach Ablauf dieser Frist aus prozessualen Gründen die Unwirksamkeit einer Kündigung nicht mehr geltend gemacht werden kann, empfiehlt es sich, unverzüglich nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsvertrages genau prüfen zu lassen, ob und welche Erfolgsaussichten für ein Vorgehen gegen die Kündigung bestehen.