Auswertung des Browserverlaufs durch den Arbeitgeber erlaubt?
Inzwischen gibt es kaum Arbeitnehmer, die keinen eigenen Dienstrechner besitzen bzw. nicht auf Firmen-PCs zugreifen können. Dabei ist es für das Unternehmen häufig schwer zu ermitteln, ob die Mitarbeiter den Rechner während der Arbeitszeit vertragsgemäß – zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen – nutzen oder vertragswidrig – für private Angelegenheiten (und damit ggf. einen Arbeitszeitbetrug begehen).
In seiner neuesten Entscheidung hatte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.01.2016 – 5 Sa 657/15) mit folgenden Fragen zu befassen:
- Ist eine Auswertung der vom Arbeitnehmer besuchten Seiten durch den Arbeitgeber zulässig?
und
- Rechtfertigt die unerlaubte Nutzung des Internets – nach Abwägung beiderseitiger Interessen – eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses?
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Das Unternehmen überließ dem Mitarbeiter einen Dienstrechner. Dieser durfte nur dienstlich genutzt werden. Eine Nutzung zu privaten Zwecken war lediglich in Ausnahmefällen während der Arbeitspausen gestattet. Da der Arbeitgeber einen Verdacht hatte, dass der Mitarbeiter seinen Dienstrechner auch während der Arbeitszeit für private Zwecke benutzt, wertete er – ohne die Zustimmung des Mitarbeiters eingeholt zu haben – den Browserverlauf aus. Dabei kam heraus, dass der Arbeitnehmer in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen den Dienstrechner an insgesamt 5 Arbeitstagen privat genutzt hatte. Aufgrund dieser Erkenntnis sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Das LAG Berlin-Brandenburg sah die Kündigung aus wichtigem Grund als rechtmäßig an. Auch hat das Gericht festgestellt, dass in diesem Fall die Auswertung des Browserverlaufs rechtmäßig war und nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führte.
Rechtmäßigkeit der Kündigung
Zunächst ist klarzustellen, dass es auch vor der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg der absolut herrschenden Meinung entsprach, dass eine exzessive Privatnutzung der Telekommunikationseinrichtungen (beispielsweise Internet, E-Mail, Telefon) während der Arbeitszeit regelmäßig und ggf. nach vorheriger Abmahnung eine ordentliche oder gar eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt (BAG vom 19.04.2012 – 2 AZR 186/11). Dies gilt sogar dann, wenn die Privatnutzung ausdrücklich erlaubt ist oder vom Arbeitgeber geduldet wird. Denn von einer solchen Erlaubnis/Duldung ist regelmäßig nur eine inhaltlich und zeitlich angemessene Nutzung gedeckt.
Diese Auffassung hat das LAG Berlin-Brandenburg bestätigt und erneut ausdrücklich festgestellt, dass die unerlaubte Nutzung des Internets – nach Abwägung der beiderseitigen Interessen – eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses erlaube.
Auswertung des Browserverlaufs
Interessanter ist an der Entscheidung, dass das Gericht ausdrücklich festgestellt hat, dass grundsätzlich eine Auswertung des Browserverlaufs bei einem Dienst-PC, welcher zur ausschließlichen dienstlichen Nutzung überlassen wurde, zulässig sei und kein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe. Die Auffassung des LAG ist überzeugend und entspricht der herrschenden Auffassung in der arbeitsrechtlichen Literatur.
Zur Begründung der (richtigen) Auffassung:
Die Zulässigkeitsanforderungen der Auswertung des Browserverlaufs unterscheiden sich danach, ob die private Nutzung des Dienstrechners erlaubt ist oder nicht.
Niedrige Schwelle, wenn keine Privatnutzung erlaubt ist
Darf der Arbeitnehmer den Rechner ausschließlich zu dienstlichen Zwecken nutzen, richten sich die Voraussetzungen nach Maßgaben von § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Der Arbeitgeber darf danach bei Vorliegen von Verdachtsmomenten bezüglich einer Straftat nur erforderliche Maßnahmen ergreifen. Er ist aber nicht an strengere – und ggf. strafbewehrte – Anforderungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) gebunden.
In dem oben dargestellten Fall war die Privatnutzung verboten. Deshalb hielt das Gericht die Verdachtsmomente des Arbeitgebers für ausreichend, um die Auswertungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Maßnahmen waren somit rechtmäßig und von den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere von § 32 BDSG, gedeckt.
Diese Rechtsauffassung hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem aktuellen Verfahren bestätigt (Urteil vom 12.01.2016 – 61496/08). Die Straßburger Richter wiesen die Klage eines rumänischen Ingenieurs ab, der während der Arbeitszeit den Firmen-PC umfangreich privat genutzt hatte und – ebenfalls nach der Auswertung durch den Arbeitgeber – entlassen wurde. Im Rahmen dieser Entscheidung hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass die private Internutzung des Unternehmensrechners kein Menschenrecht darstellt und deswegen die Auswertung der Daten durch den Arbeitgeber verhältnismäßig und damit auch rechtmäßig war.
Wesentlich höhere Anforderungen, wenn Privatnutzung erlaubt
Die Anforderungen an eine rechtmäßige Auswertung des Browsers sind aber wesentlich höher, wenn der Dienstrechner auch zur privaten Nutzung überlassen wird. Denn in solchen Fällen ist der Arbeitgeber – nach überwiegender Auffassung – als Anbieter der Dienste im Sinne von § 3 Nr. 6 TKG anzusehen und nach § 88 Abs. 2 TKG zur Wahrung eines Grundrechts, nämlich des Fernmeldegeheimnisses gemäß Artikel 10 Abs. 1 GG, verpflichtet. Ob und in welchem Umfang in solchen Fällen Beweisverwertungsverbote bestehen, ist noch nicht abschließend geklärt und wurde auch vom LAG Berlin-Brandenburg nicht entschieden. Daher besteht hier noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine nicht rechtmäßige Auswertung solcher Daten – als Verletzung des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 206 StGB (Strafgesetzbuch) – unter Umständen auch als eine Straftat angesehen werden kann.
Damit ist Arbeitgebern zu empfehlen, eine klare Regelung zu treffen, ob die private Nutzung von Dienst-PCs überhaupt erlaubt sein soll. Im Regelfall ist ein vollständiges Verbot der Privatnutzung anzuraten. Sollte die private Gebrauchsmöglichkeit bestehen, ist zumindest der Nutzungsumfang dienstlicher PCs ausdrücklich festzulegen.