Anspruch auf Sonderzahlungen trotz Stichtagsklausel
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner aktuellen Entscheidung vom 13.5.2015 (Az: 10 AZR 266/14) nicht nur mit der Frage der Entstehung eines Anspruches des Arbeitnehmers bei der vorbehaltslosen Gewährung einer Sonderzahlung auseinandergesetzt (siehe unseren Beitrag zum Anspruch auf Sonderzahlungen), sondern auch mit der in der Praxis immer wiederkehrenden Frage, wann bei einer Sonderzahlung (sei es Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Boni, Treueprämien etc.) eine Stichtagsklausel wirksam vereinbart werden kann.
Mit einer Stichtagsklausel wird von Seiten des Arbeitgebers bezweckt, dass nur der Arbeitnehmer die Sonderzahlung erhält, der zum vorgegebenen Stichtag (z.B. dem Auszahlungszeitpunkt) noch in einem Arbeitsverhältnis zu ihm steht. Zuvor ausgeschiedene Arbeitnehmer sollen keine, auch nicht anteilige, Sonderzahlung erhalten.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit derartiger Stichtagsklauseln zuletzt sehr stark eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Sonderzahlung, die zumindest auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, nicht vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt innerhalb oder außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine Stichtagsklausel würde den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und wäre deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Scheidet der Arbeitnehmer unterjährig aus dem Arbeitsverhältnis aus, ergibt sich damit zum Fälligkeitszeitpunkt ein zeitanteiliger Anspruch auf diese Sonderzahlung.
Somit kommt es entscheidend darauf an, welcher Zweck mit der jeweiligen Sonderzahlung vom Arbeitgeber verfolgt wird und ob die Sonderzahlung (auch) Vergütungscharakter hat. Dies ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln. Von einem Vergütungscharakter der Sonderzahlung ist dabei im Zweifel bei der Erfüllung einer der folgenden Fallgruppen auszugehen:
- die Sonderzahlung ist an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft.
- die Sonderzahlung macht einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus.
- die Sonderzahlung wird erbracht, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind.
- die Höhe der Sonderzahlung hängt nach der vom Arbeitgeber getroffenen Zweckbestimmung vom Betriebsergebnis ab.
Nach der Rechtsprechung des BAG muss sich aus der zu Grunde liegenden Vereinbarung/Regelung deutlich ergeben, dass der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgt. Sonderzahlungen ohne Vergütungscharakter sind insbesondere „Treueprämien“ für erwiesene Betriebstreue oder „Halteprämien“ für künftige Betriebstreue. Der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Die Sonderzahlung darf aber nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängen.
Empfehlung
Will der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine Sonderzahlung gewähren, die er unbedingt vom Bestand des Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag abhängig machen will, so ist zu beachten, dass dies nur dann zulässig ist, wenn die Sonderzahlung keine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung ist, und sich der anderweitige Zweck (z.B. Betriebstreue) deutlich aus der zu Grunde liegenden arbeitsvertraglichen Abrede ergibt. Bei der Ausgestaltung der Regelungen einer solchen Sonderzuwendung sollte daher vermieden werden, dass einzelne Regelungen – unbeabsichtigt – auch dafür sprechen, dass die Sonderzuwendung zumindest auch Vergütungscharakter hat.