Handlungsbedarf für Arbeitgeber: Neues Nachweisgesetz, neue Arbeitgeberpflichten
Am 23.06.2022 hat der Deutsche Bundestag das neue Nachweisgesetz, das zum 01.08.2022 in Kraft tritt, verabschiedet (vgl. BT-Drucks. 20/1636). Dadruch ergibt sich für Arbeitsgeber einer erheblicher Handlungsbedarf bei der Erstellung von Arbeitsverträgen.
Anlass der Gesetzesänderung: Europäische Arbeitsbedingungenrichtline
Anlass des neuen Nachweisgesetzes ist die am 20.06.2019 durch das Europäische Parlament und den Rat verabschiedete Arbeitsbedingungenrichtlinie (EU) 2019/1152. Die Arbeitsbedingungenrichtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Artikel 22 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 31.07.2022 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die erforderlich sind, um den Vorgaben der Arbeitsbedingungenrichtlinie nachzukommen.
Mehr Bürokratie erwartet
Das vom deutschen Gesetzgeber verabschiedete neue Nachweisgesetz sorgt leider weder für Entlastungen noch Erleichterungen zu Gunsten der Unternehmen. Im Gegenteil: Durch das neue Nachweisgesetz erhöhen sich die organisatorischen Anforderungen an die Unternehmen. Neben einem geänderten Katalog der nachzuweisenden Vertragsbedingungen werden Verstöße zukünftig als Ordnungswidrigkeit behandelt werden.
Nachweispflichten erfordern Schriftform
In Deutschland wird die Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen faktisch zwar bereits seit 1995 durch das Nachweisgesetz (NachwG) vorgeschrieben. Verstöße gegen die Regelungen des NachwG waren jedoch bis dato bedeutungslos, da das NachwG keine Sanktionen regelte. Das wird sich künftig ändern.
Das neue Nachweisgesetz sieht vor, dass entsprechende Nachweise auch künftig schriftlich, also auf einem handschriftlich unterschriebenen Papierdokument an die Beschäftigten übergeben werden müssen. Jeder einzelne Verstoß kann zukünftig zudem mit einem Bußgeld von bis zu 2.000,00 € geahndet werden.
Erweiterung der Nachweispflichten
Zudem sieht das neue Nachweisgesetz folgende Ergänzungen der bereits bestehenden Nachweispflichten vor:
- Hinsichtlich des Arbeitsentgelts zusätzliche Angaben zur Vergütung von Überstunden sowie der Art der Auszahlung (bar bzw. bargeldlos). Zudem sind alle Bestandteile des (Gesamt-)Arbeitsentgelts (z.B. Zulagen, Zuschläge, Prämien etc.) getrennt mit Angabe der Fälligkeit anzugeben;
- Vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten;
- Bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen;
- Im Falle von Arbeit auf Abruf unter anderem der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt wird;
- Sofern vereinbart, ein Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen;
- Sofern vereinbart, der Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung;
- Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers;
- Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage;
- Dauer der Probezeit, sofern vereinbart;
- Erweiterte Unterrichtungspflichten im Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt in Entsendefällen;
- Hinweis auf ggf. anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.
Verschärfungen des Verfahrens
Neben den inhaltlichen Nachweispflichten sieht das neue Nachweisgesetz auch Änderungen im Verfahren vor. Die Unterrichtung der Arbeitnehmer über die wesentlichen Vertragsbedingungen (Name und Anschrift der Parteien, Höhe des Arbeitsentgelts und vereinbarte Arbeitszeit) müssen zukünftig am ersten Tag der Arbeitsleistung erfolgen, statt wie bislang innerhalb eines Monats nach Beginn. Für die Erbringung der weiteren Nachweispflichten, entsprechend der obenstehenden Liste, sind gestaffelte Fristen vorgesehen. Zudem regelt das neue Nachweisgesetz, dass Bestandsarbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen können, dass dieser ihnen eine Niederschrift mit einem Großteil der nachzuweisenden Angaben innerhalb von sieben Tagen nach der Aufforderung aushändigen muss. Die weiteren anderen Angaben müssen spätestens innerhalb eines Monats nach Zugang der Aufforderung nachgewiesen werden.
Rechtsunsicherheit
Eine Vielzahl der im neuen Nachweisgesetz geregelten Nachweispflichten stellt die Praxis vor erhebliche Rechtsunsicherheit. Dies gilt insbesondere für die Angabe von vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie für das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren.
Letzteres ist völlig neu und in der Praxis stellen sich dazu bereits jetzt einige Fragen. Was z.B. meint der Gesetzgeber, wenn er im Gesetzeswortlaut von dem „einzuhaltenden Verfahren“ spricht? Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer z.B. darüber informieren, dass er vor einer Kündigung ggf. Betriebs- oder Personalrat anhören muss oder, dass er bei einem Arbeitgeber mit Schwerbehinderung zunächst die Zustimmung des Inklusionsamtes beantragen muss? Jedenfalls nach der Gesetzesbegründung soll ein Hinweis auf die dreiwöchige Klagefrist gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz genügen, über das „einzuhaltende Verfahren“ schweigt die Gesetzesbegründung jedoch.
Hinweise für die Praxis
Das neue Nachweisgesetz verlangt nicht, dass die Nachweise unbedingt durch eine entsprechende Gestaltung des Arbeitsvertrags selbst erbracht werden. Daher sollte in jedem Unternehmen zunächst die Überlegung angestellt werden, auf welche Weise man ab dem 01.08.2022 die neuen Vorgaben des Nachweisgesetzes umsetzt – im Arbeitsvertrag selbst oder z.B. als Informationsblatt an die jeweiligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Hinsichtlich der inhaltlichen Umsetzung der Nachweispflichten bleibt zwar abzuwarten, in welcher Weise die Arbeitsgerichte die neuen Pflichten konkretisieren werden. Dies erlaubt den Arbeitgebern allerdings keinen Aufschub. Vielmehr gelten die Neuregelungen bereits ab Anfang August 2022, weshalb Arbeitgeber bereits jetzt handeln und ihre aktuell bestehenden Vertragsunterlagen unter Berücksichtigung der Regelungen des neuen Nachweisgesetzes anpassen sollten. Kommen Sie diesbezüglich jederzeit auf uns zu. Wir beraten Sie gerne.
Melanie Maier, Fachanwältin für Arbeitsrecht