Abgeltung von Überstunden während der Freistellung? Nur bei ausdrücklicher Regelung!
Zur Vermeidung einer beabsichtigten Kündigung sowie im Nachgang an bereits ausgesprochene Kündigungen regeln die Arbeitsvertragsparteien regelmäßig die Modalitäten des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis mithilfe von Abwicklungs- bzw. von Aufhebungsverträgen. Die allermeisten Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträge beinhalten auch Regelungen zur Freistellung des Mitarbeiters. Hierbei gibt es einiges zu beachten.
Zum Zweck einer Freistellungsregelung
Eine solche Regelung hat zum einen den Zweck, dass ein Mitarbeiter, dessen Ausscheiden bereits feststeht, und der bereits mit dem Unternehmen “abgeschlossen“ hat, nicht unnötig für Unruhe in dem Betrieb sorgt. Zum anderen bekommt auch der Mitarbeiter dadurch die Gelegenheit, sich in Ruhe nach einer neuen Beschäftigung umzusehen.
Kurzum: In der Regel haben beide Parteien ein gesteigertes Interesse an einer einvernehmlichen Freistellung, sobald das Ausscheiden des Arbeitnehmers feststeht.
Zum Inhalt einer Freistellungsregelung
Die Parteien einigen sich häufig darauf, dass der Mitarbeiter unwiderruflich freigestellt wird. Dies hat zum einen zur Folge, dass der Arbeitgeber die Freistellung in der Regel nicht einseitig beenden kann und der Arbeitnehmer daher nicht ständig damit rechnen muss, in den Betrieb zurückkehren zu müssen. Zum anderen ist der Arbeitgeber nur in einem solchen Fall berechtigt, die Einbringung des Urlaubs während der Freistellung anzuordnen und dies in der Freistellungsklausel festzuhalten.
Denn während der – gegebenenfalls über mehrere Wochen oder gar Monate – andauernden Freistellungsphase besteht ein nachvollziehbares Interesse des Arbeitgebers, die vereinbarte Freistellung jedenfalls auf den dem Arbeitnehmer noch zustehenden und den während der Freistellungsphase entstehenden Urlaubs- sowie auch Überstundenanspruch anzurechnen.
Zur Ausgestaltung der Regelung
Dass während der Freistellung der Urlaub eingebracht werden soll und dass eine entsprechende Klausel im Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrag festgehalten werden muss, haben viele Arbeitgebervertreter „auf dem Schirm“. Hingegen wird häufiger vergessen, eine entsprechende Regelung für die Überstunden aufzunehmen.
Wie das Bundesarbeitsgericht kürzlich festgestellt hat, kann das Fehlen einer solchen Anrechnungsregelung zu spürbaren finanziellen Folgen führen.
Zu der neuesten Entwicklung in der Rechtsprechung
In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidendem Fall haben Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbart, dass der Mitarbeiter für einen Zeitraum von ca. zweieinhalb Monaten (unwiderruflich) freigestellt wird. In der Freistellungsvereinbarung hat man – wie so häufig – geregelt, dass in diesem Zeitraum der Resturlaub eingebracht werde. Die Überstunden des Mitarbeiters wurden hingegen nicht erwähnt.
Die unterbliebene Erwähnung der Anrechnung von Überstunden hat dazu geführt, dass der Mitarbeiter die Auffassung vertreten hat, dass diese während der Freistellung nicht eingebracht werden und somit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziell abzugelten sind. Der Arbeitgeber hat hingegen die Forderung mit der Begründung abgelehnt, es würde sich aus den Gesamtumständen ergeben, dass während der Freistellungsphase nicht nur der Urlaub, sondern auch die Überstunden abgegolten werden sollen.
Die Rechtsfrage wurde – im darauf folgenden Instanzenrechtszug – von den mit der Angelegenheit befassten Gerichten unterschiedlich beurteilt. Das Arbeitsgericht Münster hat sich der Auffassung des Arbeitnehmers angeschlossen und festgehalten, dass die Einbringung von Überstunden während der Freistellung nur dann erfolgt, wenn die entsprechende Klausel dies in aller Deutlichkeit vorsieht. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat hingegen auf die vom Arbeitgeber angeführten Gesamtumstände verwiesen und festgehalten, dass auch ohne die ausdrückliche Erwähnung der Überstunden die sich aus der Vereinbarung ergebende Interessenlage der Parteien und die übrigen Begleitumstände dafür sprechen würden, dass mit der unwiderruflichen Freistellung die Freizeitausgleichsansprüche aus dem Arbeitszeitkonto ebenfalls erfüllt werden sollten.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner kürzlich verkündeten Entscheidung nunmehr für Rechtsklarheit gesorgt (Urteil vom 20.11.2019 – 5 AZR 578/18). Die zuständige Kammer hat sich dabei der arbeitnehmerfreundlicheren Auffassung angeschlossen und entschieden, dass die Überstunden in einer vereinbarten Freistellungsphase nicht automatisch eingebracht werden. Vielmehr müssen die Parteien dies in einer entsprechenden Klausel ausdrücklich festlegen. Die Klausel muss daher zwingend zum Inhalt haben, dass nicht nur der Urlaubsanspruch, sondern auch die Überstunden eingebracht werden.
Fazit
Diese Entscheidung zeigt in aller Deutlichkeit auf, dass ein Aufhebungsvertrag keinen Punkt offenlassen darf. Vielmehr müssen sämtliche Aspekte, die im Rahmen der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses sowie sogar nach seiner Beendigung relevant sein können, klar geregelt werden, damit nach Abschluss des Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrags zwischen den Parteien keine Fragen mehr offen sind und diese Vereinbarung eine abschließende Regelung darstellt.