Altersgrenzen für Geschäftsführer – Bundesgerichtshof bringt AGG ins Spiel!
Anstellungsverträge von Geschäftsführern enthalten vielfach Altersgrenzen-Regelungen, nach denen das Anstellungsverhältnis nicht erst mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (sog. „Regelaltersgrenze“) endet, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Hierbei kann es sich entweder um eine von der Gesellschaft frei gewählte Altersgrenze (z.B. „Vollendung des 62. Lebenssjahres“) handeln, oder aber um die Altersgrenze „Vollendung des 65. Lebensjahres“, die zum damaligen Zeitpunkt noch der gesetzlichen Regelaltersgrenze entsprach, die sodann schrittweise von 65 Jahren auf 67 Jahre angehoben wurde.
Angestoßen durch einige Entscheidungen des EuGH zum Status des Fremdgeschäftsführers als „Arbeitnehmer“ im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs (z.B. „Danosa“ – Mutterschutzrichtlinie, „Balkaya – Massenentlassungsrichtlinie) werden mittlerweile auch derartige Altersgrenzen in Geschäftsführerdienstverträgen vermehrt in Frage gestellt.
Eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 26.03.2019 (Az.: II ZR 244/17) gibt nun Anlass, die bestehenden Dienstverträge von Geschäftsführern genauer darauf zu prüfen, ob die darin geregelten Altersgrenzen-Regelungen überhaupt wirksam sind bzw. wie diese gegebenenfalls auszulegen sind. Dabei muss zwischen den beiden zuvor beschriebenen alternativen Regelungen unterschieden werden.
Auslegung der Altersgrenzen-Regelung
Enthält der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag eine Altersgrenze, nach der das Anstellungsverhältnis mit der „Vollendung des 65. Lebensjahres“ des Geschäftsführers enden soll, ist diese Altersgrenze nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahin auszulegen, dass das Anstellungsverhältnis erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters enden soll, zumindest sofern der Anstellungsvertrag vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes am 01.01.2008 abgeschlossen worden ist. Diese vom BAG für Arbeitnehmer zuletzt im Urteil vom 09.12.2015 (Az: 7 AZR 68/14) nochmals bestätigte Auslegungsregel, ist auf Geschäftsführeranstellungsverträge übertragbar. Durch die Formulierung „Vollendung des 65. Lebensjahres“ wollte die Gesellschaft in der Regel nur auf die damals geltende gesetzliche Regelaltersgrenze Bezug nehmen, die seit dem Jahr 1916 bis zum Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes bei 65 Jahren lag. Ein verständiger Fremdgeschäftsführer musste diese Formulierung „Vollendung des 65. Lebensjahres“ auch als Anknüpfung an den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze verstehen.
Eine solche auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenze ist, wenn der Geschäftsführer durch den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert ist, auch sachlich gerechtfertigt und in keiner Weise diskriminierend. Diese vom BAG ebenfalls bezogen auf ein Arbeitsverhältnis bestätigte Rechtslage muss erst recht für eine entsprechende Altersbefristung in einem Geschäftsführeranstellungsvertrag gelten.
Verstoß gegen die Regelungen des AGG?
Ist die Regelung im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers hingegen als eine eigenständige Befristung auf das Alter 65 auszulegen, unabhängig davon, ob der Geschäftsführer zu diesem Zeitpunkt eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann oder nicht, was vor allem bei neueren Anstellungsvertrages der Fall sein dürfte, oder wurde gar eine noch frühere Altersgrenze im Vertrag geregelt (z.B. „Vollendung des 62. Lebensjahres“) so stellt sich die Frage, ob eine solche Regelung nicht wegen Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.
Anwendungsbereich des AGG
Zu beachten ist zunächst, dass der zeitliche Anwendungsbereich des am 18.8.2006 in Kraft getretenen AGG auch für Altersgrenzen eröffnet ist, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze erst nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn die Altersgrenze bereits vor dem 18.8.2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 I AGG altes Recht.
Die Vereinbarung einer Befristung eines Vertragsverhältnisses ist nach der ständigen Rechtsprechung auch eine Entlassungsbedingung nach § 2 I Nr. 2 AGG. Solche Bedingungen sind neben Kündigungen auch alle anderen Beendigungstatbestände. Sie beziehen sich sowohl auf das „Ob“ als auch auf das „Wie“ der Beendigung und umfassen damit auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Vertragsverhältnis auf Grund einer vereinbarten Befristung endet (vgl. BAG vom 06.04.2011 – 7 AZR 524/09).
Bis zur Entscheidung des BGH vom 26.03.2019 (Az.: II ZR 244/17) war in der Literatur jedoch höchst umstritten, ob diesbezüglich überhaupt der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für einen Fremdgeschäftsführer eröffnet ist. Die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die Vereinbarung einer Entlassungsbedingung zwischen einer GmbH und ihrem Fremdgeschäftsführer ergibt sich nämlich nicht bereits aus § 6 Abs. 3 AGG. Nach § 6 Abs. 3 AGG gelten die Vorschriften des Abschnitts 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung (§ 6 bis § 18 AGG) für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend, soweit es die „Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg“ betrifft. Entlassungsbedingungen werden vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 AGG gerade nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 163/10). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus einer erweiternden europarechtskonformen Auslegung von § 6 Abs. 3 AGG.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 26.03.2019 (Az.: II ZR 244/17) nun jedoch entschieden, dass der Fremdgeschäftsführer einer GmbH bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls aber insoweit als „Arbeitnehmer“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen ist, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist. Da die Richtlinie 2000/78/EG in Art. 3 Abs. 1 c) den Arbeitnehmer vor Diskriminierungen durch Entlassungsbedingungen als Teil der Arbeitsbedingungen schützen wolle, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Richtlinie insoweit inhaltsgleich umgesetzt hat und die Richtlinie nicht auf den Arbeitnehmerbegriff des deutschen Rechts verweist, sei der Begriff „Arbeitnehmer“ in § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGHs unionsrechtlich auszulegen. Die Richtlinie und in ihrer Umsetzung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wollen einen breiten Personenkreis schützen. Dieses Ziel lässt es zu, den Fremdgeschäftsführer einer GmbH als vor Diskriminierung durch Entlassungsbedingungen geschützten Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG anzusehen. Gleiches muss daher auch gelten, wenn der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG aufgrund einer Entlassungsbedingung in Form einer Befristung des Geschäftsführerdienstvertrages (Höchstaltersgrenze) eröffnet ist.
Ungleichbehandlung / Rechtfertigung
Die Befristung eines Anstellungsverhältnisses, die an das Erreichen eines bestimmten Alters anknüpft, bewirkt grundsätzlich eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen iSd §§ 7 I, 3 I 1, 1 AGG.
- 10 S. 1 und S. 2 AGG erlauben jedoch eine solche unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 S. 3 Nr. 5 AGG kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch eine Vereinbarung einschließen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann.
Auch der EUGH hat Altersgrenzen iSv § 10 S. 3 Nr. 5 AGG, die an das Alter und den Bezug einer beitragsabhängigen Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd Art. 6 I der RL 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts gerechtfertigt sein können. Die Nutzung der Ermächtigung von § 10 S. 3 Nr. 5 AGG muss allerdings in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel iSd Art. 6 I der RL 2000/78/EG verfolgen (EuGH, ECLI:EU:C:2010:601 = Slg. 2010, I-9391 = NZA 2010, 1167 Rn. 53 – Rosenbladt).
Dass eine Altersgrenze von 65 Jahren oder gar noch früher bei einem Fremdgeschäftsführer, der zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, ein legitimes Ziel verfolgt und angemessen iSd. § 10 S. 1 und S. 2 AGG ist, wird in der Regel jedoch nicht der Fall sein. Das Argument, das Anforderungsprofil für Unternehmensleiter sei regelmäßig besonders hoch, weshalb vor dem Hintergrund betriebs- und unternehmensbezogener Interessen ein Bedürfnis nach der Vereinbarung von unterhalb des gesetzlichen Renteneintrittsalters liegenden Altersgrenzen bestehe, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 26.03.2019 jedenfalls nicht als legitimes Ziel angesehen. Gerade Ältere können über besondere Stärken, insbesondere über fachliche Erfahrung als Resultat langjähriger Tätigkeit verfügen, die sie für bestimmte anspruchsvolle Aufgaben in besonderem Maße geeignet machen. Zu beachten ist insoweit, dass derjenige, der sich auf die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters in einer vertraglichen Vereinbarung nach § 10 AGG beruft, also die Gesellschaft, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass mit der Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG angestrebt wird und dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (BGH vom 26.03.2019, a.a.O.).
Auch eine Rechtfertigung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG scheidet in diesen Fallkonstellationen in der Regel aus, da die vorzeitige Altersbefristungsabrede die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Geschäftsführers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem er gerade keine gesetzliche Rente wegen Alters beantragen kann. Ob die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG zumindest in den Fällen analog anwendbar ist, in denen der GmbH-Geschäftsführer durch eine betriebliche Altersversorgung oder ein Übergangsgeld entsprechend abgesichert ist, wie dies teilweise in der Literatur vertreten wird, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (AZ: 8 U 18/17), in dem eine solche analoge Anwendung des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG bejaht wurde, wurde vom BGH aufgehoben, ohne dass über diese Rechtsfrage bezogen auf einer Altersbefristung entschieden wurde.
Fazit
Mit der aktuellen Entscheidung des BGH ist nunmehr geklärt, dass auch für vorzeitige Ausscheidensregelungen in Geschäftsführer-Dienstverträgen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten ist. Dies kann gerade auch in Bezug auf die Wirksamkeit von Höchstaltersgrenzen weitreichende Konsequenzen haben. Die Gesellschafter, aber auch die betroffenen Geschäftsführer sind daher gut beraten, die bestehenden Verträge vorsorglich einer Prüfung zu unterziehen, ob die darin enthaltenen Ausscheidensregelungen AGG-konform sind. Des Weiteren sollte Augenmerk auf die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Altersgrenzen gelegt werden.