Kündigungsverbot während der Elternzeit – der Teufel steckt im Detail
Eine wichtige das Recht auf Elternzeit flankierende Bestimmung ist der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Nach dieser Bestimmung darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, und während der Elternzeit nicht kündigen. Nur in besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde für zulässig erklärt werden.
Eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer, der Elternzeit beanspruchen kann, hat es demnach im Wesentlichen selbst in der Hand, den großen Vorteil des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 BEEG zum Entstehen zu bringen: Sie oder er muss lediglich wirksam Elternzeit verlangen.
Dass dies im Einzelfall gar nicht so einfach ist, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.05.2016 (Az.: 9 AZR 145/15).
„Knackpunkt“ dieser Entscheidung ist der Umstand, dass für die Inanspruchnahme der Elternzeit gegenüber dem Arbeitgeber ein Formerfordernis besteht. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG muss der Arbeitnehmer die Elternzeit vor deren Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Dies klingt eindeutig, ist es aber nicht. Denn was bedeutet eigentlich „schriftlich“?
Die Schriftform wird im Rechtsverkehr an vielerlei Stellen verlangt. Was jedoch im Einzelfall ausreicht, um diese Schriftform zu wahren, wird von der Rechtsprechung oft unterschiedlich beurteilt. Zum Teil, beispielsweise in dem in der arbeitsrechtlichen Praxis besonders wichtigen Fall der Wahrung von Ausschlussfristen, reicht eine E-Mail oder ein Telefax zur Wahrung der Schriftform aus.
Anders allerdings bei der Elternzeit. Das Bundesarbeitsgericht hat in der genannten Entscheidung vom 10.05.2016 entschieden, dass das Elternzeitverlangen die strenge Schriftform im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB erfordert. Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer muss das Elternzeitverlangen also eigenhändig mit ihrem/seinem Namen unterzeichnen. Theoretisch wäre auch ein notariell beglaubigtes Handzeichen möglich, dieser Fall ist aber praktisch nicht relevant.
In dem zu Grunde liegenden Fall hatte die Klägerin, eine Rechtsanwaltsfachangestellte, per Telefax bei ihrem Arbeitgeber, einem Rechtsanwalt, Elternzeit verlangt. Einige Monate später, und zwar während der „Elternzeit“, kündigte der Rechtsanwalt das Arbeitsverhältnis. Die Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde für den Arbeitsschutz lag nicht vor. Damit wäre die Kündigung grundsätzlich unwirksam gewesen, wenn die Elternzeit korrekt verlangt worden wäre, also insbesondere „schriftlich“. Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch, dass ein Telefax hierfür nicht ausreicht. Dem Arbeitgeber hätte vielmehr das eigenhändig unterzeichnete Original des Elternzeitverlangens zugehen müssen. Dies war aber nicht geschehen.
Einen kleinen Ausweg für solcherlei Missgeschicke lässt das Bundesarbeitsgericht noch offen: Im Einzelfall kann ein Arbeitgeber sich treuwidrig verhalten, wenn er sich auf die fehlende Schriftform des Elternzeitverlangens beruft. Er verstößt dann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und muss sich so behandeln lassen, als sei das Elternzeitverlangen wirksam erfolgt. Für eine Treuwidrigkeit müssen allerdings besondere Umstände vorliegen, und insbesondere ist die bloße Berufung auf eine Formvorschrift als solche nicht treuwidrig. In dem zu Grunde liegenden Fall erkannte das Bundesarbeitsgericht keine Anhaltspunkte für eine Treuwidrigkeit.
Das Bundesarbeitsgericht sah deshalb (anders als noch die Vorinstanz) die von dem Rechtsanwalt gegenüber seiner Rechtsanwaltsfachangestellten ausgesprochene Kündigung als wirksam an.
Künftig sollten Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen bei einem Elternzeitverlangen also genauestens darauf achten, dass sie dem Arbeitgeber das eigenhändig unterzeichnete Originaldokument zukommen lassen. Weder sollten sie das Schriftstück lediglich faxen, noch sollte Elternzeit nur per E-Mail verlangt werden. Es fehlt in diesen Fällen an der Wahrung der strengen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB. Der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin geht dann streng genommen nicht in Elternzeit und kann sich insbesondere bei einer etwaigen Kündigung des Arbeitgebers nicht auf das Kündigungsverbot des § 18 BEEG berufen.
Link zur Pressemitteilung des BAG:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2016&nr=18649&pos=8&anz=31&titel=Inanspruchnahme_von_Elternzeit_-_Schriftformerfordernis