Personenbedingte Kündigung des Arbeitsvertrages – häufige Kurzerkrankungen
Für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes muss ein Kündigungsgrund gegeben sein. Dieser kann verhaltensbedingter, personenbedingter oder betriebsbedingter Natur sein.
Der „Klassiker“ des personenbedingten Kündigungsgrundes ist die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen (nicht in diese Kategorie gehört das sog. „Krankfeiern“, also Krankmeldung trotz Arbeitsfähigkeit. Das „Krankfeiern“, das zu den verhaltensbedingten Gründen zählt, kann sogar einen außerordentlichen und fristlosen Kündigungsgrund darstellen, vgl. hierzu https://www.wsk-arbeitsrecht.com/2016/01/ausserordentliche-fristlose-kuendigung-des-arbeitsverhaeltnisses/). Die Interessen sind klar: Der Arbeitnehmer ist häufig krank. Der Arbeitgeber hat Entgeltfortzahlung zu leisten und erhält keine Arbeitsleistung, obwohl er auf diese angewiesen ist. Kommt dies häufiger im Verlauf eines Jahres vor, kann es sein, dass sich der Arbeitgeber überlegt, dem Arbeitnehmer zu kündigen. Ob ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben ist, wird im Rahmen einer dreistufigen Prüfung ermittelt.
Negative Gesundheitsprognose (1. Stufe)
Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob für denjenigen, dem gekündigt werden soll, eine negative Gesundheitsprognose angestellt werden kann. Diese Prognose ist grundsätzlich in die Zukunft gerichtet und beurteilt sich anhand der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Gekündigten.
Nach dem BAG gilt insoweit eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Häufigen Kurzerkrankungen kann eine gewisse Indizwirkung für die Zukunft zukommen, die den Schluss auf eine negative Gesundheitsprognose zulassen (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Az: 2 AZR 148/01). Andernfalls hätte der Arbeitgeber keinerlei Chancen, seiner Darlegungs- und Beweislast im Prozess nachzukommen.
Der Arbeitnehmer kann dem Vortrag des Arbeitgebers dann in der Folge entgegen halten, dass die häufigen Kurzerkrankungen keine negative Gesundheitsprognose zulassen. Hierfür muss der Arbeitnehmer in der Regel die ihn behandelnden Ärzte und/oder die Krankenkasse von deren Schweigepflicht befreien. Einer negativen Prognose steht jedoch beispielsweise nicht entgegen, dass die Fehlzeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen, da häufige und unterschiedliche Erkrankungen auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit hindeuten können (BAG, Urteil vom 10.11.2005, Az: 2 AZR 44/05).
Kommt man nach dem zuvor Geschilderten zu dem Schluss, dass eine negative Gesundheitsprognose für den jeweiligen Arbeitnehmer gegeben ist, so ist auf der zweiten Stufe weiter zu prüfen.
Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (2. Stufe)
Auf der zweiten Stufe ist entscheidend, ob betriebliche Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt sind. Dies hat im Falle eines Rechtsstreits der Arbeitgeber darzulegen.
In Betracht kommen hierfür zwei Arten von Beeinträchtigungen. Das kann zum einen das Vorliegen von Betriebsablaufstörungen sein. Zum anderen kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen darstellen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitgeber häufig hohen Entgeltfortzahlungskosten ausgesetzt ist, beispielsweise bei einem Zeitraum von jährlich mehr als sechs Wochen. Ein weiteres Argument für die erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers wird man mittlerweile auch in der nun drohenden späteren Urlaubsnachgewähr oder -abgeltung sehen müssen (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, Az: C-350/06 und Az: C-529/06).
Geht auch die zweite Stufe der Prüfung zu Lasten des Arbeitnehmers aus, so ist in der Folge eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen (dritte Stufe).
Interessenabwägung (3. Stufe)
Die dritte Stufe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Interessen des Arbeitnehmers und die Interessen des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen werden. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, auf welche Ursachen die Erkrankungen zurückzuführen sind, und ob und wie lange das Arbeitsverhältnis ungestört verlaufen ist. Darüber hinaus spielen auch das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers eine Rolle. Fällt auch die dritte Stufe zu Lasten des Arbeitnehmers aus, so ist die Kündigung sozial gerechtfertigt und damit wirksam.
Fazit
Eine personenbedingte Kündigung aufgrund häufiger Kurzerkrankungen birgt für den Arbeitgeber im Falle eines Kündigungsrechtsstreits häufig hohe Risiken, da er in der Regel nicht weiß, ob seine Gesundheitsprognose für den Gekündigten zutreffender Weise negativ ausfallen durfte. Umso wichtiger ist es für den Arbeitgeber, alle Fakten, die ihm zur Verfügung stehen, zu analysieren, bevor er eine personenbedingte Kündigung ausspricht, um die Risiken eines sich gegebenenfalls anschließenden Prozesses im Vorfeld abschätzen zu können.