Bundesarbeitsgericht präzisiert Rechtsprechung zur Höhe von Nachtarbeitszuschlägen
Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Nachtarbeit ist der Gesetzgeber mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1992 verpflichtet worden, den Gesundheitsschutz flankierende Maßnahmen für Nachtarbeit vorzusehen. Aus diesem Grunde ist unter anderem die gesetzliche Vorschrift des § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz geschaffen worden, wonach Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage haben, wenn sie Nachtarbeit leisten. Mittelbar soll der Arbeitgeber durch diese Verteuerung der Nachtarbeit davon abgehalten werden, Nachtarbeit anzuordnen. Welche Höhe ist für einen Nachtarbeitszuschlag nun aber „angemessen“?
Klar ist die Rechtslage, wenn für das betreffende Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag gilt und dieser eine Regelung für Nachtarbeitszuschläge enthält. Dann gilt die tariflich festgelegte Höhe. Unschädlich ist, dass sich je nach Branche die tariflichen Regelungen stark unterscheiden. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ermittelte in einer Erhebung Nachtarbeitszuschläge von 10 % bis hin zu 100 %.
Große Ungewissheit herrschte bislang allerdings, welcher Nachtarbeitszuschlag „angemessen“ ist, wenn keine tariflichen Regelungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Auf tarifliche Nachtarbeitszuschläge konnte wegen deren großer Bandbreite insoweit lediglich als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden. Die Bestimmung eines „angemessenen“ Nachtarbeitszuschlags war daher stets einzelfallbezogen vorzunehmen.
Nun hat das Bundesarbeitsgericht mit einem aktuellen Urteil vom 09.12.2015 (Az.: 10 AZR 423/14) erstmals einen Regelwert für einen „angemessenen“ Nachtarbeitszuschlag angenommen. Das Bundesarbeitsgericht vertritt nun die Ansicht, grundsätzlich sei ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den Bruttostundenlohn angemessen.
Eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitszuschlags kommt nach dem Bundesarbeitsgericht ausnahmsweise in Betracht, wenn während der Nachtzeit eine deutlich geringere Arbeitsbelastung besteht, etwa weil während der Nachtzeit nur Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst geleistet wird.
Eine Erhöhung des Nachtarbeitszuschlags ist nach dem Bundesarbeitsgericht hingegen bei Dauernachtarbeit vorzunehmen. Denn diese führe nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer erhöhten Belastung des Arbeitnehmers. Deshalb sei bei Dauernachtarbeit regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % angemessen.
Häufig wird in der Praxis gerade bei Dauernachtarbeit von Arbeitgebern der Einwand geäußert, das vereinbarte Gehalt (ohne explizit ausgewiesene Nachtarbeitszuschläge) sei ja gerade allein für die Nachtarbeit vereinbart worden und enthalte deshalb stillschweigend auch den Nachtarbeitszuschlag. Solcherlei Argumente hat das Bundesarbeitsgericht auch in der Vergangenheit nur sehr zurückhaltend anerkannt. Grundsätzlich kann dies allenfalls angenommen werden, wenn wegen der Entgelthöhe ausdrücklich auf die zu leistende Nachtarbeit Bezug genommen und das Verhältnis zwischen Grundlohn und Nachtarbeitszuschlag klargestellt wird. In dem aktuellen Urteil vom 09.12.2015 hat das Bundesarbeitsgericht dieses Argument des Arbeitgebers ebenfalls nicht anerkannt.
Nach seiner Wahl kann der Arbeitgeber statt eines Zuschlags in Geld auch eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage gewähren. Auch bezüglich des (in der Praxis eher seltenen) Freizeitausgleichs gelten die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Regelwerte von 25 bzw. 30 %.
Nachtarbeit ist jede Arbeit, die mehr als 2 Stunden der Nachtzeit umfasst (§ 2 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz). Nachtzeit ist die Zeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22:00 Uhr bis 5:00 Uhr (§ 2 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz).
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